Hamburg (dpa) - Sie suchen nach Zärtlichkeit, Geborgenheit und Liebe und hoffen das ausgerechnet bei Wildfremden zu finden: Aufgeregt und angespannt beobachten sich die Teilnehmer der vierten Hamburger Kuschelparty.
Zwölf Frauen und Männer zwischen 20 und 55 sitzen sich in einem Kreis gegenüber und versuchen so schnell wie möglich ihre Anonymität aufzugeben. Auf ihrer Brust kleben Zettel mit ihren Vornamen. In einer Vorstellungsrunde vertrauen sie sich die Gründe ihres Kommens an: Neugierde und Sehnsucht. Mehr brauchen sie voneinander nicht zu wissen.
"Es ist schräg und gleichzeitig sinnvoll, dass wir uns hier treffen, aber eigentlich ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft", erklärt Florian Pittner. Es sei schlimm, dass die Leute sich nach Nähe sehnen, weil sie die im täglichen Leben nicht bekommen. Der 30- Jährige ist Veranstalter der Hamburger Partys, studiert eigentlich Sozialpädagogik und kuschelt gerne. Er gibt zu, dass auch er jedes Mal vor der Party genauso angespannt ist wie seine Gäste.
Damit diese Anspannung schnell abfällt, bringen Inka und Shanti, die beiden Kuscheltrainer, die Wildfremden einander näher. Doch zunächst erklären sie die Regeln: "Kein Sex und die Kleidung bleibt an". Außerdem haben sie eine Glocke dabei, um die Teilnehmer jäh aus ihren Kuschelpositionen zu reißen, falls es zu hitzig wird. "Bisher war das aber noch nicht nötig, die meisten haben sich ganz gut im Griff", sagt Florian Pittner.
Dann geht es los. In Dreiergruppen stehen sich die Kuschelfreaks gegenüber, die Augen sind geschlossen, die Hände ausgestreckt zur Mitte. Langsam ertasten sie die Finger, Hände und Arme ihrer Kuschelpartner. Um sie herum liegen Kissen und Matratzen, das Licht ist gedimmt, Kerzen flackern, im Hintergrund laufen Liebeslieder. Nach einer Weile sollen sich die Frauen und Männer auf die Mattenwiese legen und in sich hineinhorchen, sich selber spüren, dann die Matratzen - schließlich die Nachbarn.
Die Hände und Füße der Teilnehmer ertasten vorsichtig die Umgebung, dabei stoßen sie auf fremde Hände und Füße. Sie kommen sich näher, robben aneinander heran. Vorher wird höflich gefragt, wenn jemand nicht will, sagt er deutlich nein. "Darf ich mich hinter dich legen?", fragt ein Mann vorsichtig seine Nachbarin. Die schmiegt sich an ihn. Beide atmen wohlig und laut aus, er summt zur Musik.
Sheraz ist mit 20 Jahren der bisher jüngste Teilnehmer und zum ersten Mal dabei. "Ich bin hier, weil ich normale Partys zu oberflächlich finde." Dort würden sich die Gäste erst mit genügend Alkohol im Blut ihre Gefühle zeigen, die ihnen hinterher sogar noch peinlich wären. Er komme auf jeden Fall wieder, wenn er einsam sei.
"Kuscheln macht eben glücklich und selig, man fühlt sich danach besser und attraktiver", erklärt Florian. Seine Kuschelpartys haben mittlerweile sogar einige Stammgäste. Auch Annika ist schon zum dritten Mal dabei. "Es wird zu viel geredet in unserer Gesellschaft. Ich möchte jemanden einfach nur körperlich kennen lernen, ohne gleich im Bett zu landen", sagt die 33-Jährige.
Der Trend der Kuschelpartys kommt aus New York, wo sie als Privatpartys begannen und sich schnell ausbreiteten. Bevor in Hamburg die ersten Partygäste aufeinander trafen, fuhren Inka und Shanti nach Berlin, um sich dort eine Kuschelparty anzusehen. "Auf Berliner Partys ist ein starker Männerüberschuss, außerdem ist das eine Single-Börse", erklärt Florian Pittner. In Hamburg ist die Anzahl der Männer und Frauen recht ausgeglichen. Die Gäste seien zwar auch hauptsächlich Singles, das Verkuppeln sei allerdings nicht Ziel der Partys. "Es interessiert uns aber auch nicht, ob die Kuschelpärchen am Ende des Abends gemeinsam nach Hause gehen."
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