Basil Hallward und Lord Henry Wotton sind von dem neuen Gemälde gleichermaßen fasziniert. Es zeigt einen Jüngling von außergewöhnlicher Schönheit: Dorian Gray. Basil Hallward hat sich während der Anfertigung seines Kunstwerks bereits in den jungen Knaben verliebt und kann ohne dessen künstlerische Inspiration nicht mehr leben. So ist es kein Wunder, dass Henry Wotton ganz erpicht darauf ist, Dorian Gray kennen zu lernen. Im Gegensatz zur vornehmen Zurückhaltung des Künstlers, treibt Lord Henry das Motto an, sein Leben stets in vollen Zügen zu genießen.
Da er sich äußerst Redegewandt gibt, ist es für ihn keine große Schwierigkeit den unerfahrenen Jüngling von seinen Ausführungen über die Genüsse des Lebens vollkommen gefangen zu nehmen. Doch noch kann keiner ahnen, welche Folgen diese Zusammenkunft auf das Leben Dorian Grays haben wird...
Oscar Wilde greift in seinem Roman viele Thematiken auf, die Künstler nicht gerade selten bewegen. So ist es gar nicht allzu verwunderlich, dass auch in dieser Geschichte das Werk eines Künstler im Mittelpunkt steht. Ein Werk des Teufels - das aber nicht von sich aus dazu geworden ist, sondern durch das, was mit ihm assoziiert wird. Der Verlust der Jugend ist für Dorian Gray zum Zeitpunkt als das Bild fertig gestellt wird nach den Worten von Lord Henry geradezu unerträglich, so dass er die verhängnisvollen Worte spricht, deren Auswirkungen zu diesem Zeitpunkt für den Hörer bereits erahnbar, für die Charaktere innerhalb der Geschichte aber nicht absehbar sind.
Zwischen Sinnhaftigkeit und Anstand hin und her gerissen, ist es vor allem der äußerliche Einfluss von Lord Henry, der Dorian Gray seinen Weg beschreiten lässt.
Eine der großen Stärken der Vertonungen von Marc Gruppe und Stephan Bosenius ist stets das Erschaffen von Authenzität durch die tiefgründige Darstellung der Charaktere. Dabei halten sich die beiden eng an die Originalgeschichte. So entsteht eine Literaturvertonung, welche die Atmosphäre der früheren Zeit und die Thematiken, die damals dafür gesorgt haben, dass dieses Werk nicht ganz unumstritten aufgenommen wurde, wunderbar nachvollziehbar macht. Wer also an einer möglichst originalgetreuen, lebendigen Umsetzung von Oscar Wildes Werk interessiert ist, der dürfte hier auf seine Kosten kommen.
Nun gibt es allerdings ein Problem. Schon mit den letzten Hörspielen, die innerhalb der Reihe des "Gruselkabinetts" erschienen sind, wurde man dieser Beschreibung absolut nicht gerecht. Wäre da nicht der Subtitel "Meisterwerke der Schauer-Romantik" könnte man sogar glatt von einer Themaverfehlung sprechen. Aber trotz der übernatürlichen Elemente und des gelungen dargestellten menschlichen Schicksals, kann selbst von "Schauer" nur sehr bedingt die Rede sein.
Insofern ist es mehr als nachvollziehbar, wenn einige Hörer aufgrund anderer Erwartungen enttäuscht sein werden.
Ich persönlich habe mich aufgrund der lebendigen Darstellung der Charaktere und der recht unterhaltsamen Geschichte nicht gelangweilt, nichtsdestotrotz kann man aber einige Momente festmachen, die sich schon arg langgestreckt präsentieren. Mit einem etwas größeren Mut zum Rotstift hätte man es sicherlich genauso geschafft die Tiefe der Geschichte aufrecht zu erhalten. Denn erst im letzten Drittel gewinnt das ganze zunehmend an Rasanz.
Hasso Zorn gibt einen sehr angenehmen, neutralen Erzähler ab. Am meisten begeistert hat mich aber Tim Vogt, dessen Name mir bis dato völlig unbekannt war, und der in keiner anderen Rolle wie derjenigen des frevelhaft daherredenden Lord Henry mehr hätte glänzen könnte. Doch auch die anderen tragenden Charaktere wie David Turba als Dorian Gray, Axel Malzacher als Maler Basil und Kristine Walther als Schauspielerin Sibyl Vane könnten kaum treffender besetzt sein.
Fazit: Als Literaturvertonung recht unterhaltsam. Allerdings sind erneut ein paar langgezogene Momente auszumachen, obgleich ich mich insgesamt nicht gelangweilt habe. Im Rahmen des Gruselkabinetts aber wirkt dieses Hörspiel nicht wirklich günstig platziert. Hier sollte man sich vielleicht doch überlegen, entweder die gruseligen Aspekte der Geschichte etwas stärker zu betonen, oder aber eine neue Reihe für solche Vorlagen zu eröffnen.
Insofern bin ich, was die abschließende Bewertung des Hörspiels anbelangt, zwiegespalten.