ich habe gerade eine sehr interessante kritik vom feuerkelch gelesen,
der sich wirklich lohnt, aber auch sehr viele spoiler enthält und
klar macht was zu erwarten ist und was nicht.
"Der Tod ist für den gut vorbereiteten Geist nur das nächste große Abenteuer." Albus Dumbledore
Dunkle Zeiten liegen vor uns
von El Raisuli
Udo Schenks Stimme quält sich unerkannt aus einem
Sessel hervor und durchschneidet den Raum,
während sich eine gewaltige Schlange um das
Sitzmöbel windet, vor dem die beiden treusten
Anhänger Lord Voldemorts knien: Wurmschwanz
und ein noch unbekannter, junger Mann. Er ist es
auch, der einen neugierigen Muggel tötet, der an
der Türe lauscht und dann sein Leben in grünlichem
Licht aushaucht – ohne recht zu wissen, was er da
eigentlich beobachtet hat. Der erste Tote nach nur
drei Minuten Film – kein Zweifel, der dunkle Lord ist
auf dem Weg zurück an die Macht, und jedem wird
sofort klar, dass dieser Film die Kindertage von Harry
Potter weit hinter sich lassen wird – und damit auch
alle Zuschauer, die mit seiner Entwicklung nicht
schnell genug Schritt halten konnten.
Wenn es in „Harry Potter und der Feuerkelch“ einen
ersten Augenblick gibt, der einem den Atem raubt,
dann der, wenn die Weasleys, die Diggorys und
Harry zum ersten Mal das Zeltlager am Rande der
Quidditch-Weltmeisterschaft betreten. Dann fällt
nicht nur dem Zauberlehrling die Kinnlade herunter,
sondern auch dem staunenden Zuschauer und Harry
meint aus tiefster Überzeugung „Ich liebe Magie!“,
wobei ihm jeder im Kino nur lebhaft beipflichten
kann. Der Anblick der endlosen Zeltstadt wird jedoch
schon Sekunden später erneut getoppt, wenn sich
die Kamera zum Flug über einen Hügel erhebt und
den Blick freigibt auf das gewaltigste Stadion, dass
zumindest die Muggelwelt je gesehen hat und gegen
das der Circus Maximus wie ein Sandkasten wirkt.
Turmhoch die Zuschauerränge, auf der großen
Leinwand ein wahrhaft umwerfendes Erlebnis, das
ein „Aah!“ und „Ooh!“ durch den Kinosaal wehen
lässt, zumindest bei jenen, die in ihrem Herzen ein
wenig kindliches Staunen bewahren konnten und
noch nicht völlig gegen den Kinozauber abgestumpft
sind. Der Einflug der Gladiatoren, allen voran
Quidditch-Idol Viktor Krum, lässt auch keine
Wünsche offen und weckt die Lust auf noch mehr
Augenweiden für den vom bisherigen Angebot des
Kinojahres enttäuschten Fan. Gibt es jetzt gar die
coolsten Besenreiter-Stunts der Potter-Filme in
Zeitlupe? Nein. „Nein!“ möchte man vor
Enttäuschung brüllen, denn ebenso hoch wie die
Welle der Euphorie eben noch schwappte, ist der
Sturz in die Ernüchterung tief. Mit einem Schnippen
des Zauberstabs ist der Spuk vorbei und wir sehen
die feiernden Weasleys in ihrem Zelt. Wie das?
Filmriss? Was ist mit dem Spiel passiert? Nichts, nicht
eine Sekunde WM-Quidditch ließ sich Warner Bros.
aus den Rippen leiern, vielleicht reichten dafür weder
die Zeit noch das Budget, aber so hat der Film auch
gleich seine erste Enttäuschung parat. Zum Glück
müssen wir darin nicht lange verharren, denn mit
dem Einfallen der Todesser in der Zeltstadt
beschwören Regisseur Mike Newell und Komponist
Patrick Doyle einen ersten dramatischen Höhepunkt
herauf, der so perfekt umgesetzt ist, dass die
Bedrohung buchstäblich greifbar ist. Dagegen wirkt
das Beschwören des Dunklen Mals durch den jungen
Mann, den wir zuvor bereits im Haus der Riddles
zum ersten Mal getroffen haben, regelrecht
unspektakulär und jeder, der das Buch kennt, reibt
sich nach dem tödlichen Intro nun bereits zum
zweiten Mal verwundert die Augen und ahnt, dass
hier schwer an J.K. Rowlings Gedankengebäude
umgestrickt wurde, um dem Medium Film und der
begrenzten Laufzeit gerecht zu werden.
Die Schachfiguren
So geht es munter weiter in dieser über weite
Strecken düsteren, aber trotz aller Dramatik auch
außerordentlich humorvollen Achterbahnfahrt (volle
Punktzahl für die Weasley-Zwillinge), bei der wir
nicht ohne Grund die Ländereien um Hogwarts nur
zwei- oder dreimal in unverblümten Sonnenschein
genießen können, während in der restlichen Zeit
stetig Dunkelheit oder unheilschwangere Wolken
über Harrys Wahlheimat dräuen. Doch bevor das
Unheil weiter seinen Lauf nimmt, erneut Mord und
Totschlag Einzug halten, die Maulende Myrte im
Badewasser unverhohlen nach Harrys kleinem
Zauberstab fischt, Hermine einer lebenden Legende
erfolgreich den Kopf verdreht und Ron sich in einem
Christopher-Lee-Gedächtnisumhang auf den
Tanzboden wagt, hält der beste Charakter des neuen
Abenteuers Einzug in Hogwarts: Alastor „Mad Eye“
Moody (Brendan Gleeson perfekt bis in die Pupille)
kommt durch den Regen wie der zauberhafte Bruder
von John Silver aus der „Schatzinsel“, nur das er
unter dem weiten Mantel zweifellos Motorradleder
trägt und sein magisches Auge auch punktgenau
durch den Hinterkopf sehen kann. Außerdem
schwingt da nicht ein alter, grimmiger Seebär seine
Beinprothese in Harry Potters magische Lehrjahre,
sondern der nicht minder kauzige neue Lehrer für
Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Und die
beherrscht er, wie er seinen Schülern eindrucksvoll
beweist, geradezu meisterlich und hat ganz
nebenbei noch ein wachsames, gutmütiges Auge auf
den Zauberlehrling.
Mit dem Einzug der Schülerinnen aus Beauxbatons
wird bereits klar, dass nicht nur in Sachen Dramatik
ein neues Zeitalter angebrochen ist, sondern auch in
Sachen Sex. In ihren körperbetonten, seidig
fließenden Kleidern und kecken Hüten inszeniert
Mike Newell die zauberhaften Damen als Hingucker,
der nicht nur bei pubertierenden Jungs kurzfristig für
feuchte Handflächen sorgen dürfte. Aber er vergisst
auch nicht, den „französischen“ Girls ein an die
Arroganz grenzendes Selbstbewusstsein mit auf den
Weg zu geben, das bei ihrem Einmarsch in die große
Halle quasi durch jedes Knopfloch strömt und ihnen
Stil verleiht. Ein dickes Kompliment an
Kostümbildnerin Jany Temime, die übrigens auch
nichts dafür kann, dass die inzwischen beinahe
ununterbrochen getragenen Muggelklamotten in
Hogwarts irgendwie deplatziert wirken. Übrigens,
auch in den folgenden Szenen des Filmes, bleibt
kaum eine Totale ungenutzt, um rund um die
Hauptfiguren auch ein paar sehr ansehnliche
Schülerinnen zu platzieren. Die jungen Schönheiten
Englands hatten im Filmstudio Leavesden zweifellos
ein Stelldichein.
Während Harry, Ron und ihre Fans die holden Girls
anhimmeln dürfen, bezaubert Sonnyboy Cedric
Diggory die Damenwelt. Sein Darsteller Robert
Pattinson bringt die Rolle fantastisch auf den Punkt.
Er ist es auch, der von all den zahlreichen
Nebenfiguren noch die größten Entwicklungschancen
im Verlauf des Filmes eingeräumt bekommt.
Konkurrent Viktor Krum, verkörpert durch Stanislav
Ianevski, kann mit breiter Brust und etwas sprödem
Charme zwar durchaus punkten, hat aber kaum Zeit
um zu glänzen und stößt bei Hermine auf mehr
Gegenliebe als offenbar beim Drehbuchautor.
Überhaupt ist es schade, um die Randfiguren: Jason
Isaacs als Malfoy sen., Gary Oldman mit feurigem
Kurzauftritt (und falscher Synchronstimme), Miranda
Richardson als perfekte Karikatur einer Klatschreporterin,
die grazile Clémence Poésy als Fleur
Delacour, Tom Felton als Malfoy jun. (unterfordert)
und Harrys „Love Interest“ Katie Leung a.k.a. Cho
Chang sind so kurz im Bild, dass es eine Schande ist,
ganz zu schweigen vom armen Alan Rickman, dessen
Snape weiterhin ein Schattendasein fristet, vergleicht
man seine filmische Präsenz mit der in den Büchern.
Auch an anderen Ende hapert es: Charaktere wie die
Haushelfen fehlen völlig, obwohl ihnen in der
Buchvorlage mehr als nur eine entscheidende Rolle
zufällt, auch der aufschneiderische Ludo Bagman ist
nicht vorhanden und Hagrid, Zaubereiminister Fudge
sowie andere sind bestenfalls Stichwortgeber.
Große Aufgaben einwandfrei gelöst
Doch genug gemurrt. Der Beginn des Trimagischen
Turniers und die Wahl der Champions sorgen nicht
nur für Spannung und Lacher, sondern zeigen auch
deutlich, dass sich der Schulleiter Albus Dumbledore
aus den Filmen in einigen Punkten von seinem
literarischen Vorbild unterscheidet: Davon zeugt
nicht nur ein waschechter Wutausbruch vor
versammelter Schülerschaft, sondern auch seine vom
Kollegium (allen voran McGonagall mit neuer
Synchronstimme) heftig kritisierte Entscheidung, den
ihm anvertrauten Harry als Lockvogel im Turnier zu
missbrauchen. Da staunt der Potter-Fan nicht
schlecht und erkennt seinen „DD“ kaum wieder. Das
Vorfeld der ersten Aufgabe des Turniers nutzt der
Film, um einen Streit zwischen Harry und Ron
heraufzubeschwören. Das ist anders gelöst als im
Buch und auch hier stutzen jene, die den Roman
noch gut im Gedächtnis haben. Die folgende
Konfrontation zwischen Harry und dem Ungarischen
Hornschwanz macht jedoch jede Kritik vergessen. Es
geht für Harry um Haut und Haar – in einem Duell,
das sich über die halben Ländereien erstreckt, dem
Wort „Afterburner“ eine neue Dimension verleiht
und fast alle Dächer des Schlosses in Mitleidenschaft
zieht. Das ist tricktechnisch aufs Feinste umgesetzt,
spannend und haut auch den stärksten Zauberer
vom Feuerblitz. Perfekt fürs Kino und actionlastiger
als im Buch.
Das Intermezzo Weihnachtsball hat nicht nur viel
fürs Auge (Kostüme, Ausstattung, Bauten), sondern
auch schauspielerisch einiges zu bieten. Für Hermine
bzw. Emma Watson ist es in vielerlei Hinsicht der
Höhepunkt des Filmes und damit sicher auch für ihre
unzähligen Fans. Ein wenig befremdlich, in der sonst
eher höfischen Zaubererwelt, mutet der lautstarke
Mini-Auftritt von Jarvis Cocker an. Der passt
irgendwie nicht ins Gesamtbild, genauso wie der
rund erneuerte Professor Filius Flitwick (jetzt nicht
mal mehr im Ansatz koboldähnlich, wie noch in Teil
1 und 2) beim „Stage Divin’“. Und noch ein
Charakter bekommt beim Ball die Chance, ganz neue
Seiten zu zeigen: Neville Longbottom, wieder
wunderbar zurückhaltend gespielt von Matthew
Lewis. Bei der zweiten Aufgabe des Turniers wird er
sogar zum Zünglein an der Waage. Diese Aufgabe
hat es übrigens in sich, markiert sie doch Harry
Potters ersten Ausflug unter Wasser. Auch das ist
filmisch und tricktechnisch einwandfrei umgesetzt,
wenn auch leider kürzer als erhofft. Was dem guten
Harry in den dunklen Tiefen alles begegnet, sorgt für
angenehmen Grusel und man hält unwillkürlich die
Luft an.
Alles wird sich von nun an ändern
Danach strebt alles mit Hochdruck der dritten
Aufgabe entgegen. Der Weg ins klaustrophobisch
anmutende Labyrinth beginnt kurz und schmerzlos.
Spannung wird erneut durch Dunkelheit und die
immer näher kommenden Heckenwände erzeugt,
zwischen denen der Nebel mit kalten, feuchten
Fingern lauert. Die fantasievollen Hindernisse aus
Rowlings Roman vermisst man hier schmerzlich. Das
Labyrinth ist dadurch ein bisschen öder, aber nicht
minder spannend bis, ja bis sich Harry und Cedric vor
der Gruft der Riddles wieder finden. Hier geht
zunächst noch einmal ganz unvermittelt und
nüchtern der Tod um, bevor die durch und durch
schaurige Wiedergeburt Voldemorts ihren Lauf
nimmt, gebraut nach einem Rezept, das
empfindsamen Naturen auf den Magen schlagen
dürfte und endgültig die Abkehr vom kindlichen
Publikum markiert. Voldemort pellt sich aus seinem
Kupferkessel wie ein Alien, bevor er zur Gänze
wiederersteht. Zum Glück hat man hier auf CGI
gesetzt und die Splattereffekte schimmern silbern
statt blutrot. Am Ende starren Harry und wir
gemeinsam in die kunstvoll geschaffene Fratze, die
die Züge von Ralph Fiennes nur noch erahnen lässt.
In der deutschen Fassung kann sich Voldemort ganz
auf die stimmliche Kunst von Udo Schenk verlassen,
der dem asketisch wirkenden dunklen Lord
gespenstisches Leben einhaucht. Als dann die
Todesser auftauchen, ist Voldemorts Abrechnung
kurz, das unausweichliche Duell mit Harry hat in der
Tat Star-Wars-Flair, auch wenn hier mit weitaus
kürzeren „Lichtschwertern“ gefochten wird. Dank
buchstäblich seelischer Unterstützung gelingt es
Harry, sein Heil in der Flucht zu suchen und er kann
Voldemort, zumindest vorerst, den Rücken kehren.
Was danach kommt, ist dank Patrick Doyles
musikalischem Pathos und der Härte der Ereignisse
ein größerer Horror als die ganze Friedhofsszene. Die
verzweifelten Schreie eines Vaters gehen einem
durch Mark und Bein, es wird ganz still im Kino,
denn nichts erweckt den Eindruck eines Happy Ends.
Die letzten Wendungen des Falles „Feuerkelch“
wirken fast wie Beiwerk, sind ein bisschen hinten
dran gehängt, obwohl sie doch erst viele lose Enden
verknüpfen. Ein Schurke wird dingfest gemacht, aber
auch hier wird klar: Alles wird sich von nun an
ändern. Mit dieser Gewissheit verabschieden sich
Ron, Hermine und Harry bis zu ihrem nächsten
Ausflug auf die Kinoleinwand. Zurück bleibt die
Erkenntnis, dass man soeben 157 Minuten
kurzweiliges, bestes Popcornkino erlebt hat. Dass der
dritte Teil persönlicher, dieser aber geradliniger und
schnörkelloser ist. Und man fragt sich: Wenn dieser
Film bereits in so düsteren Farben gezeichnet ist, wie
will man sich dann noch zum Meisterwerk der
Düsternis, dem fünftem Teil „Harry Potter und der
Orden des Phönix“ steigern? Eines ist in jedem Fall
klar: Nach Teil 2 ging die erste Epoche der Potter-
Filmreihe zu Ende und gerade die kleineren Fans
müssen sich spätestens jetzt und mit Sicherheit
zukünftig damit abfinden, dass sie in die Filme der
zweiten Epoche erst hineinwachsen müssen. Das
stellt Eltern vor die schwierige Aufgabe, „nein“ zu
sagen, und zu erklären, wieso, weshalb, warum.
Aber es bedeutet auch, dass man an Harry Potter
länger Freude hat als an den meisten, kurzlebigeren
Dingen. Und mit dieser Erkenntnis freuen wir uns
offen und ehrlich auf die zukünftigen Kinokapitel.
El Raisuli