Hui, da hat Bartimäus ja ein recht großes Fass aufgemacht. Insgesamt finde ich einige Aussagen doch so problematisch, dass ich mal drauf antworten möchte.
In einer Sache bin ich, scheint mir, ganz bei dir, Bartimäus. Ich sehe auch nicht, inwiefern ich persönlich in irgendeiner Form für die deutsche Vergangenheit 1933-45 verantwortlich sein soll. Interessanterweise hat mir genau das aber auch bisher niemand abverlangt.
Und ansonsten hilft es mir, in dieser Sache eine Außensicht einzunehmen: Gehörte ich in eine z.B. jüdische Familie und mehrere meiner Vorfahren, vielleicht auch Vater und Mutter, sind von den Nazis ermordet worden, könnte ich das 3. Reich noch nicht unter "historisch" ablegen. Ich würde vermutlich schon offen auf die Nachkommen der Mörder meiner Väter zugehen, ihnen auch keine Vorwürfe machen, aber sie wären leider immer noch die Repräsentanten des Geschehenen. Das finde ich nachvollziehbar, deshalb kann ich auch damit leben.
Ich persönlich vermeide es immer, Hitler/die Nazis in irgendeinen Vergleich zu bringen. Aus gutem Grund: Jeder diese Vergleiche fiele zugunsten der Nazis aus, würde sie entlasten. Hitler ist nicht mit Ramses oder Cäsar vergleichbar. Man müsste überprüfen, ob frühere Despoten unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts (Bildungsniveau, Moralvorstellungen, Infrastrukturen etc.) tatsächlich auch so weit gegangen wären und Massenmord industrialisert hätten. Das macht Hitler bislang leider einzigartig. Und das sage ich nicht, um meinen Landsleuten Schuldbewusstsein zu suggerieren, sondern ich bewege mich ausschließlich im Bereich der Fakten. Den Holocaust neben heutige Naturkatastrophen zu stellen, ist natürlich erst recht nicht passend.
Perry will mit seiner Antwort lediglich aufzeigen, dass der Ramses-Cäsar-Vergleich unangebracht ist, indem er diesen mit einem zynischen Ton absichtlich und demonstrativ verschlimmert.
Ich habe übrigens kein Problem damit, "Verantwortung zu übernehmen" . Wenn ich mir vorstelle, einem 80jährigen Israeli vermitteln zu können, dass ich im Namen meines Großvaters bedauere, was geschehen ist, und dadurch diesem Menschen ein wenig Zufriedenheit/Versöhnung geben könnte - ich würde das gerne tun und empfände das überhaupt nicht als Belastung.
Sehr nervös macht mich die Bemerkung über die einflussreichen Gruppen (besser kein Kommentar zu "Entkriegs-Säcke"). Da klingt mir zuviel der alten Nazipropaganda mit ("jüdische Weltverschwörung"). Ich frage mich, ob auch Menschen anderer Nationen so schnell wie wir Deutschen glauben, dass sich wieder mal alles gegen sie verschwöre...
Naja und was die Schüler von heute angeht (zumindest die mit gymnasialer Qualifikation), da kann ich dann auch andere Eindrücke wiedergeben. Da wird keiner fragen, wer der hässliche Mann sei. Das typisierte Hitlergesicht mit Scheitel und Schnäuzer ist derart omnipräsent, dass es noch von allen Jugendlichen ab dem erforderlichen Alter identifiziert wird. Es wäre vielleicht sogar wünschenswert, dass sich das ein wenig ändert.
Und obwohl ich kein Geschichtslehrer bin: Die Probleme von heute werden sicher nicht allein dadurch gelöst, dass man seine Nase in Geschichtsbücher steckt. Aber helfen tut es schon. Sollte wrklich eine Genration heranwachsen, die Hitler nicht mehr kennt, dann wird mir um diese Welt aber blitzschnell himmelangst.
Bei alldem bin ich übrigens froh, dass der Umgang in Deutschland mit der Nazi-Zeit zwangloser geworden ist. Dass Hitler-Filme wie der mit Helge Schneider heute problemlos möglich sind. Dass selbst die unsäglichen Comedy-Shows der Privaten ihre flachen Hitlerwitze bringen können, ohne dass gleich diskutiert wird. Wir haben heute eine angenehme Normalität im Umgang mit dem Thema. Die Zeiten, in denen eine TV-Serie "Holocaust" in die dritten Programme geschoben wird und in Bayern gar nicht über den Sender geht, sind Gottseidank vorbei. Wir müssten noch soweit kommen, dass niemand mehr Nazi-Anspielungen und -Vergleiche gezielt als Provokatonen einsetzen kann, weil er sich sicher ist, damit Aufmerksamkeit zu erhaschen (Dafür war sich ja einst auch Kohl nicht zu schade...).
Was den Anti-Aids-Clip angeht: Es ist seine Schwäche, dass er Aids und den Holocaust parallelisiert. Es ist seine Stärke, dass er eine gewisse Pointe hat, über die manch einer durchaus schmunzeln kann. Dass man ihn vom Server nimmt, geschieht nach meiner Einschätzung ausschließlich aufgrund privatwirtschaftlicher Gesichtspunkte.