Hallo allerseits!
Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe meiner kleinen Reihe, in der ich versuche, die Rätsel aufzuklären, die Hörspielautor H.G. Francis bei den klassischen ???-Hörspielen ungelöst lassen musste, weil er die Buchvorlagen raffen und vereinfachen musste.
Wieder mal ist mein Text länger geworden als ich dachte, und so musste ich ihn wieder in diesmal sogar
3 (!!!) getrennte Postings aufspalten. Aber geübte Leser/innen meiner Rubrik kennen das ja bereits.
Heute geht es um den grünen Geist, eine meiner absoluten Lieblingsfolgen, weil sie so ungeheuer atmosphärisch ist. Selten haben Sprecherleistungen, Geräusche und Musik in einer ???-Folge so gut harmoniert wie hier, finde ich.
Springen wir also gleich zur ersten Frage, in der es um die exzellent spannende Eröffnungsszene im verlassenen Haus des toten Mathias Green geht …
Wie hat Mr. Carlson die Vorkommnisse mit dem grünen Geist im Haus von Mathias Green inszeniert?
Er klebte sich an jenem Abend einen falschen Schnurrbart an und überredete mit tiefer, verstellter Stimme nacheinander 5 Anwohner der Wohnsiedlung, mit ihm gemeinsam das alte Haus zu besichtigen, bevor es ganz abgerissen wird. Er scherzte sogar, dass man dort vielleicht dem Geist des toten Mr. Green begegnen könnte.
Als die Männer beim Haus ankommen, sind sie also zu sechst. In einem Gebüsch beim Haus hat sich der siebte versteckt, der Komplize von Carlson – und zwar niemand anderes als Mr. Jensen! Er stößt verabredungsgemäß zweimal einen lauten Schrei aus (der sich im Buch übrigens so anhört wie von jemandem, der eine Treppe hinunterstürzt und zum Schluss kraftlos verröchelt).
Beide Schreie hören Peter und Bob. Sie stehen in der Einfahrt des Hauses, denn Bob möchte einen Artikel über das Haus für die Schulzeitung schreiben. Sein Tonband hat er dabei, um seine Eindrücke an Ort und Stelle festzuhalten.
Nach dem zweiten Schrei wollen die beiden verschwinden, doch genau in diesem Moment kommen die 6 Männer beim Haus an. Sie einigen sich darauf, nach der Ursache des Schreies zu forschen und gehen zur Haustür. Peter und Bob gehen mit.
Einen dritten Schrei wie im Hörspiel („Da war es wieder. Es kam aus dem Haus. Schnell! Jemand ist in Not!“) gibt es im Buch nicht mehr. Denn so dicht am Haus hätten die Männer und die Jungen sicher gemerkt, dass der Schrei aus dem Gebüsch komm
t. Stattdessen tritt Jensen unbemerkt aus dem Gebüsch und schließt sich den anderen an. Ab diesem Zeitpunkt sind es also 7 Männer, sowie Peter und Bob, die ins Haus gehen.
(Anmerkung von mir: Im Grunde ist dieses Verhalten von Jensen ziemlich unlogisch. Viel einfacher wäre es für ihn gewesen, nach dem Schreien einfach zu verschwinden, schließlich erfüllte er im Haus ja keine besondere Funktion mehr)
Im Haus selbst spielt sich dann alles etwa so ab wie im Hörspiel. Der Geist taucht an verschiedenen Stellen auf (er trägt grüne fließende Gewänder wie die eines chinesischen Mandarins) – verschwindet aber immer, sobald die Männer (auch Carlson) ihre Lampen einschalten. Der Grund ist folgender: In Carlsons Lampe ist ein kleiner Dia-Projektor versteckt. Mit einem Schiebeknopf kann die Lampe wahlweise normales Licht ausstrahlen oder ein Dia mit dem grünen Geist an Wände werfen. Carlson brauchte also immer nur zwischen Geist und Licht hin- und herzuschalten.
Die Lampe hat Carlson übrigens von Won erhalten, der im Buch schon früher als im Hörspiel in die Geschichte involviert ist (siehe unten).
Warum haben laut Kommissar Reynolds sogar 15 oder 16 Personen den Geist gesehen?
Carlson hat den Geist in jener Nacht noch an mehreren anderen Stellen in Rocky Beach auftauchen lassen, wo ihn ebenfalls Zeugen gesehen haben, z.B. neben einem Lagerhaus, bei einer Lkw-Raststätte – und auch noch auf dem Friedhof, wo der dorthin gerufene Kommissar Reynolds persönlich den Geist sah, der vor dem Grabstein des Mathias Green in der Erde verschwand … Dementsprechend groß ist am nächsten Morgen das Medienecho.
Was erfährt man im Buch noch über den toten Mathias Green?
Er war Schiffskapitän im Chinahandel. In China war er enger Freund und Berater mehrerer Mandschu-Edelleute. Er verliebte sich in die Tochter eines dieser Edelmänner und nahm sie ohne Einverständnis ihres Vaters mit nach Amerika. Die Geisterperlen hatte er schon vorher gestohlen. In seiner Villa in Rocky Beach, die er sich als Versteck vor möglichen Verfolgern baute, lebte er auf großem Fuß, hatte zahlreiche asiatische Diener und kleidete sich gern in grüne Gewänder wie ein Mandschu-Edelmann.
Eines Tages fand ihn ein Kutscher aus Los Angeles (von dem er sich immer Vorräte bringen ließ) mit gebrochenem Genick am Fuß der Treppe liegen. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass er offenbar in betrunkenem Zustand heruntergestürzt war. Die Dienerschaft war über Nacht aus Angst vor Anschuldigungen aus dem Haus geflüchtet. Auch Mr. Greens Ehefrau war verschwunden.
Zur Alleinerbin wurde somit Mr. Greens verwitwete Schwägerin, die von dem Vermögen das Weingut in Verdant Valley kaufte. Das Haus in Rocky Beach verkaufte sie jedoch nicht, und so war es nach ihrem Tod dem Verfall preisgegeben. Erst ihre Tochter (das ist die Miss Green, die wir im Hörspiel kennen lernen) verkauft das Haus an einen Bauunternehmer, der es nun abreißen lässt.
(Im Hörspiel erzählt Justus, dass Miss Green selbst jene Schwägerin sei. Das ist aber falsch, denn sie ist in Wirklichkeit deren Tochter. Dementsprechend nennt sie später im Hörspiel, nachdem sie den grünen Geist in ihrem Zimmer gesehen hat, den toten Mr. Green „Onkel Mathias“.)
Apropos: „Verdant“ bedeutet grün oder grünend (Wusstet ihr das? Ich nicht). Dieser Name wurde gewählt, weil eben auch die Familie „Green“ heißt.
Was passiert am Tag nach den Geistererscheinungen?
Kommissar Reynolds bittet Mr. Andrews (Bobs Vater) darum, dass Bob und Peter mit zum Green’schen Haus kommen. Auch Justus darf dabei sein. Gemeinsam fahren alle dorthin. Dabei erfährt man, dass Reynolds ein Nachbar der Familie Andrews ist und Bobs Vater „Bill“ nennt, während Mr. Andrews den Kommissar mit „Sam“ anspricht.
Reynolds hat einige Beamte vor dem Haus postiert, um die ganzen Schaulustigen abzuwimmeln. Er hat zu dem Zeitpunkt auch bereits mit 4 der Männer gesprochen, die am Abend zuvor in dem Haus waren. Diese sind sich nicht einig (genau wie Peter und Bob), ob es nun insgesamt 6 oder 7 Männer waren. Die übrigen sind bisher nicht aufzufinden (2 davon wollen natürlich auch nicht gefunden werden: Carlson und Jensen
).
Reynolds falsche Aussage im Hörspiel „Ich habe schon alle Zeugen verhört“, die er kurze Zeit später selbst widerlegt („Die anderen Zeugen konnte ich noch nicht vernehmen“) kommt im Buch nicht vor, da hat sich H. G. Francis vertan.
In der Geheimkammer wird der Sarg mit der verschwundenen Mrs. Green und den Geisterperlen gefunden. Das Hörspiel unterschlägt, dass im Sarg natürlich auch das Skelett von Mrs. Green (in prächtige Gewänder gehüllt) entdeckt wird. Laut Buch sind der Kommissar und Mr. Andrews sich einig, dass sie vermutlich an einer Krankheit gestorben ist.
Als Justus das alles im Hörspiel später aufklärt, unterläuft ihm (bzw. H. G. Francis) natürlich ein Fehler: Er behauptet, Carlson habe an dem Tag, als Justus ihn beim Haus von Mathias Green kennen lernte, einen falschen Bart getragen. Dabei war es natürlich andersherum: Carlson trug den falschen Schnurrbart am Abend zuvor. Am nächsten Tag hatte er ihn entfernt – deshalb erkannten Bob und Peter ihn auch nicht wieder.