Diese überaus gelungene Produktion folgt erfreulicherweise sehr vorlagegetreu dem Vampire-Klassiker von Sheridan Le Fanu. So beschränkt sich die Charakterzeichnung Carmillas nicht nur auf ihr zweifellos urböses Tun des Blutsaugens, sondern gibt auch die Ambivalenz dieser Frau wieder, denn einerseits kann sie sich - unrettbar zum Vampirismus verdammt - ihrer Natur nicht entziehen, andererseits ist ihre Zuneigung zu Laura doch auch von beschützenden Instinkten geleitet. Statt wie mit anderen jungen Mädchen einen relativ kurzen Prozess zu machen, erscheint ihr Laura, die zudem eine entferne Blutsverwandte ist, doch als eine Art von ultimativen Opfer. Und die Ausnutzung der vollen CD-Länge gibt diesem Hörspiel dann auch genügend Zeit, diese Geschichte in schöner Ausführlichkeit auszubreiten.
Die Vampirgeschichten von Le Fanu wie auch dessen Epigonen Stoker haben meineserachtens freilich den Schwachpunkt, daß sich Vampire dort nachts nach Belieben in bestimmte Tiere verwandeln können, sei es bei Dracula in einen Wolf oder in eine Fledermaus, sei es bei Carmilla in eine Katze, auch kann sich diese Vampirin nachts offenbar mühelos durch geschlossene Räume bewegen und weite Distanzen wie die zu ihrer Gruft bewältigen. Ohne diese Fähigkeit zum 'Transforming' aber wäre die Vampir-Fantasiewelt näher an der Realität und könnte insofern besser als 'Was wäre wenn'-Scheinwelt wirken. Stattdessen aber erscheint diese zusätzliche Verwandlungsfähigkeit als ein nur in bestimmten Szenen effekthascherisch eingesetztes Horrorelement des Autors, zumal bei konsequenten Einsatz dieser Methode Dracula wie auch Carmilla sich doch wesentlich leichter ihren Verfolgern entziehen könnten und so ungleich schwerer zu besiegen wären.
Bram Stoker wurde durch die 'Carmilla'-Erzählung bekanntlicherweise zu seinem Roman 'Dracula' inspiriert, dieser Einfluß wird insbesondere auch in dem ursprünglichen Anfang des Romanes deutlich, der jedoch vor dem Druck gestrichen wurde und später seperat als Kurzgeschichte unter dem Titel 'Dracula's Guest' (Draculas Gast) erschien, welche sich ganz sicher als Vorlage für eine weitere Folge des 'Gruselkabinetts' empfehlen würde. Dergleichen gilt auch für Bram Stokers Roman 'The Lair of the White Worm' (Die Schlangenfrau), in dem gleichfalls eine Art weiblicher Vampir - hier in Schlangengestalt - sein Unwesen treibt.