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Samstag, 30. September 2006, 23:27

Jasper Fforde: "In einem anderen Buch"

[isbn]3491912075[/isbn]

© 2006 PATMOS
Buch: Jasper Fforde
Sprecher: Andrea Sawatzki

Laufzeit:
ca. 233 Minuten [34 Tracks]

Wer Thursday Next und damit auch den "Fall Jane Eyre" bereits kennt, kann den nächsten Abschnitt getrost überlesen. Für alle Leute, die dagegen nichts mit diesem ungewöhnlichen Namen anfangen können, sei gesagt, daß sich dahinter eine Geheimagentin verbirgt, deren Aufgabe vor allem darin besteht, die Literatur vor Fälschungen zu schützen. Hä? Also. Jasper Fforde, von Haus aus Waliser und in der Vergangenheit häufiger als Kameramann in so manchem Abspann zu finden ("GoldenEye"), zog sich vor kurzem von diesem Job zurück, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. 2001 erschien mit "Der Fall Jane Eyre" (dt. 2004) sein Debütroman, der praktisch über Nacht zu einem Bestseller wurde. Thursday Next, die Heldin des Buches, bewegt sich dabei in einer verschrobenen und kauzigen Welt, die fast, aber eben auch nur fast mit unserer Welt identisch ist. Im Grunde genommen nimmt Jasper Fforde unsere Geschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und verändert ab da historische Ereignisse. So ist der Krim-Krieg (in unserer Welt 1853-1856) im "Fall Jane Eyre", der Mitte der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts spielt, beispielsweise noch nicht beendet, Winston Churchill starb bereits früh, die Nazis haben Großbritannien überrannt und konnten erst in den 50er Jahren in einem Befreiungskrieg wieder vertrieben werden, Flugzeuge wurden als nutzlos abgetan, da man ja auf die komfortablen Luftschiffe zurückgreifen kann, Computer sind große, schwerfällige und laut ratternde Maschinen, usw. Andererseits werden in Thursday Nexts Universum Zeitreisen oder Klonen als völlig normal angesehen - Neandertaler werden als dienstbare Geister gezüchtet, Mammuts findet man überall und die Agentin hält sich sogar einen geklonten Dodo namens Pickwick. Die Literatur genießt in Thursday Nexts Welt ein sehr hohes Ansehen und so wundert es nicht, daß geschickte Fälscher immer wieder versuchen, mit gefälschten Büchern Geld zu verdienen. Thursday Next ist vielleicht kein großes Licht bei den Literatur Agenten (LitAgs) des dortigen britischen Geheimdiensts ("Specialist Operations" oder kurz "SpecOps"), aber sie gerät ins Scheinwerferlicht, als sie mit einer Maschine, dem "Prosa-Portal", konfrontiert wird, mit deren Hilfe man in die Bücher eintauchen kann. Im Verlauf des "Falls Jane Eyre" wird sie selbst in ein Buch verfrachtet und kann dort erst fliehen, nachdem sie die Handlung verändert hat. Einer der Schurken wird von ihr zum Dank in Poes Gedicht "Der Rabe" geschickt, ehe das Prosa-Portal zerstört wird. Soweit zur Vorgeschichte.

"In einem anderen Buch" setzt einige Monate nach dem "Fall Jane Eyre" an und ist somit das zweite Buch der derzeit vierteiligen Thursday-Next-Reihe. In Thursdays Leben hat sich mittlerweile einiges getan. Die große Popularität des Buches "Jane Eyre" und die öffentlichen Diskussionen um die veränderte Handlung haben dafür gesorgt, daß Thursday Next aus ihrem Schattendasein gerissen wurde. Talkshows reißen sich um die Literatur-Agentin, was Thursdays Vorgesetzten eigentlich nur Recht ist, da sie auf diese Weise Werbung für ihre Abteilung machen können. Daß die Agentin aber eigentlich nur ihre Arbeit machen will und von dem Leben im Rampenlicht nicht begeistert ist, interessiert sie nur wenig. Privat könnte es dagegen bei ihr nicht besser laufen - die noch junge Ehe verläuft glücklich und ihr Dodo Pickwick outet sich überraschend als weiblich, als "er" eines Tages ein Ei legt. Thursdays Onkel Mycroft, der geniale Erfinder des "Prosa-Portals", der ebenfalls bei SpecOps arbeitet, zieht sich zunächst in den verdienten Ruhestand und dann mit Sack und Pack an einen unbekannten Ort und in eine unbekannte Zeit zurück ...
Also alles eitel Sonnenschein? Aber nicht doch. Da ist ja noch dieser gefährliche Schurke, der von Thursday Next in das Gedicht vom "Raben" gesperrt wurde. Er bedeutet zwar keine Gefahr mehr, aber er hat Verbündete. Gefährliche und einflußreiche Verbündete. Und so gerät Thursday Next unversehens ins Fadenkreuz mehrerer ihr unfreundlich gesonnener Parteien. Ihr Mann wird "genichtet", d. h. von einem Zeitreisenden in der Vergangenheit umgebracht. Erst, wenn Thursday Next dafür sorgt, daß der Schurke aus dem "Raben" entkommen kann, soll sie ihren Mann wieder zurückbekommen. Doch das Prosa-Portal ist zerstört und Mycroft genießt seinen Ruhestand im Irgendwo und -wann. Außerdem wartet eine Gerichtsverhandlung auf sie wegen ihres Eingreifens in das Buch „Jane Eyre“. Und sie stellt fest, daß sie schwanger ist. Und daß auch noch ein Mörder mit ungewöhnlichen Fähigkeiten versucht, sie um die Ecke zu bringen. Und aus der Zukunft erreichen sie Anzeichen, daß die Erde in den nächsten Tagen das Opfer einer Katastrophe gigantischen Ausmaßes werden wird …

Vergleicht man den ersten und den zweiten Roman der Thursday Next-Reihe, wirkt „In einem anderen Buch“ zwar immer noch abgedreht, aber bei weitem strukturierter als der „Fall Jane Eyre“. Darüber hinaus verzichtete Jasper Fforde auf Erklärungen oder Anekdoten, die er bereits im ersten Band geliefert hat. Das sorgt zwar einerseits dafür, daß die Geschichte um einiges flüssiger wirkt, ist aber andererseits der Grund dafür, daß sich Neulinge nur schwer in dem Buch zurechtfinden dürften. Außerdem nimmt der Autor sehr häufig Bezug auf die Ereignisse des „Falls Jane Eyre“, erneut auftretende Personen werden nur mit einer kurzen Randbemerkung vorgestellt – all das macht „In einem anderen Buch“ nicht zu einem idealen Einstieg in die Welt von Thursday Next (das dürfte auch beim dritten Band der Reihe der Fall sein; während der „Fall Jane Eyre“ in sich abgeschlossen ist, endet das „andere Buch“ gewissermaßen mit einem Cliffhanger; bestimmte Handlungsstränge werden also erst im dritten Teil „Im Brunnen der Manuskripte“ abgeschlossen). Daher gilt: am besten, man führt sich vorher den „Fall Jane Eyre“ zu Gemüte – gerne auch als Hörbuch, Andrea Sawatzki hat auch den ersten Teil bereits für Patmos eingelesen. Womit wir bei der Sprecherin wären.

Andrea Sawatzki als Sprecherin ist für die Thursday Next-Fälle ganz sicher eine sehr gute Wahl. Die skurrile Welt der SpecOps-Agentin kommt vor allem durch die fast schon unterkühlte Art, mit der Andrea Sawatzki die Geschichte erzählt, richtig zur Geltung. Vor allem in den Situationen, die in unserer Welt überhaupt nicht möglich wären, trifft sie exakt den neutralen und unspektakulären Ton aus Jasper Ffordes Büchern. Häufig passiert es sogar, daß der Hörer erst zwei oder drei Sätze später bemerkt, wie verdreht manche Situationen überhaupt sind. Auch, wenn Andrea Sawatzki in der Vergangenheit nicht nur Glanzleistungen abgeliefert hat – hier ist sie voll in ihrem Element und man hängt für drei CDs an ihren Lippen.

Fazit: Eine sehr sonderbare Mischung aus Krimi, Science Fiction, Fantasy, Komödie, Action (und noch so einigem anderen mehr), die trotzdem hervorragend funktioniert, großartig gelesen von Andrea Sawatzki. Hier bleibt eigentlich nur ein Wunsch offen: der nach dem dritten Teil als Hörbuch.
Radio Liederlicht
Liedermacher & Co.


Mittwoch.
Skywise: "Ja klar ist der Laden super und so, aber ich mach' da trotzdem einen Bogen drum, denn allein für's Umschauen muß man da schon den großen Geldbeutel dabei haben."
Kollegin: "Ach was, das geht auch ohne. Mit EC-Karte zum Beispiel."