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Mittwoch, 15. Juni 2005, 21:21

Rezi der anderen Art: "HörBuch Magazin"

Beim „HörBuch Magazin“ handelt es sich um eine Zeitschrift, die im Acht-Wochen-Rhythmus erscheint und für die man am Kiosk seiner Wahl 9,90 Euro (bzw. 10,90 Euronen in Österreich bzw. 19,80 Fränkli bei den Eidgenossen) hinterlassen muß. Hinter dieser Zeitschrift steht das Pressebüro Typemania, das bereits seit mehreren Jahren fleißig redaktionelle Beiträge verfaßt, die ihren Schwerpunkt eindeutig im Computerbereich haben und dementsprechend auch in mehreren Fachzeitschriften (CHIP, PC Professionell, etc.) veröffentlicht wurden. Darüber hinaus ist Typemania ebenfalls bei stern.de aktiv; dort haben die Schreiberlinge rund um Chef Carsten Scheibe eine eigene Kolumne und versorgen außerdem das Magazin mit aktuellen DVD-Testberichten.
Nun soll also auch der Hörbuch- und Hörspiel-Markt redaktionell unter die Lupe genommen werden? Da kann man gespannt sein.

Beim Design bemerkt man sofort den PC-Hintergrund: ein informationsorientiertes Cover, ähnlich, wie man es auch von Shareware- oder Softwaremagazinen gewohnt ist: wenig Bild, viel Text. Auch die Schriftarten sind ähnlich gewählt, allerdings steht hier anstelle des gewohnten „Auf der Heft-CD: 22 neue Vollversionen“ das etwas dezentere „Auf der Heft-CD: Grimms Märchen – 8 Klassiker für Kinder“, auch weitere Zahlenspielereien darf man sich noch ansehen: „zu gewinnen: 33 Hörspiel-CDs“ oder „80 aktuelle CDs – für Sie getestet“. Ein paar redaktionelle Beiträge gibt es natürlich auch. Diese werden professionell-reißerisch angekündigt mit „Ersatz für Harry Potter (Magische Bücher – das können Sie Ihren Kindern kaufen)“, „PISA läßt grüßen (Mit diesen Hörbüchern wird Ihr Kind schlauer!)“. An die lieben Eltern wurde mit einem kleinen Bild unten rechts ebenfalls gedacht: „Bestseller-Romane zum Zuhören“:
Also heißt die Devise: Kaufen und mal reinschauen, was da so los ist.

Der erste Eindruck: Mensch, ist das Teil dünn! Ein berechtigter Eindruck, immerhin besteht das komplette Magazin neben der Heft-CD aus ganzen 36 (!) Seiten. Aber nun gut, man beurteilt ein Buch ja auch nicht nach dem Cover, sondern nach dem Inhalt.

Der zweite Eindruck ist durchaus positiv. Das Inhaltsverzeichnis zeigt eine saubere und gute Gliederung, auch wenn es mir offen gestanden schwer fällt, mich mit den immer noch vorhandenen Klischees anzufreunden, die bei den Rubriküberschriften durchschimmern („Mädchenkram – Freundinnen und Pferde“; wenn ich mir überlege, wie sich neulich in der Straßenbahn zwei Acht- oder Neunjährige ungewöhnlich professionell über Fettabsaugungen unterhalten haben … ), der Inhalt der Heft-CD wurde ganze drei Mal im Heft aufgelistet, darunter auch auf der vorletzten Seite, die man mittels Schere zu CD-Inlay bzw. -Cover umgestalten kann. Positiv gedacht. Außerdem erscheint auf Seite 3 unter der Überschrift „In letzter Sekunde“ eine kurze Besprechung einer im April 2005 erschienenen CD („Lea Wirbelwind“). Auf Seite 4 dann das obligatorische Chefredakteur-Vorwort inklusive dem mit Stolz geschwellter Brust vorgebrachten Hinweis auf die beiliegende Heft-CD.
Es folgen zwei redaktionelle Beiträge. Der erste ist eher pseudo-informativer Kultur („Lernstoff für die PISA-Kinder“) und besteht aus exakt einem Absatz, der eigentlich nur die nachfolgenden sechs Hörspiel-Einzelbesprechungen unter einen Hut bringen will. Der zweite, nicht auf dem Cover erwähnte Beitrag erscheint unter dem Titel „Der Schatz im Silbersee – Karl May Hörspiele“ und befaßt sich ausschließlich mit acht Karl-May-Hörspielen, die bei Topsound erschienen sind. So unterschiedlich die beiden Artikel im Aufbau sind, so gleich sind sie in ihrer Aussagekraft: es werden längere Inhaltsangaben der Hörspiele geliefert; Bewertungen, Lob oder Kritik finden nur in Einzelfällen statt. Abschließende Beurteilungen sind meistens so schwammig formuliert, daß man sich fragt, ob sich die CDs denn überhaupt mal gedreht haben. Es reicht nicht aus zu sagen, daß ein Hörspiel im Vergleich zum Buch stark gekürzt wurde - das soll häufiger vorkommen. Auch den Namen eines Sprechers zu erwähnen, ist nicht genug, wenn man seine Leistung nicht bewertet. Immerhin hat man daran gedacht, am Ende des Beitrags Preis (unverbindliche Preisempfehlung, ist ja klar), Hersteller, Internetseite des Herstellers, Spielzeit und Altersfreigabe des Hörspiels anzugeben.

Das wahre Grauen beginnt auf der nächsten Seite. Sechs Kurzrezensionen pro Seite, jede brav mit Herstellerinformationen und fast jede eigentlich eine Frechheit, denn die Kurzrezensionen sind vom selben Kaliber wie ihre großen Brüder (siehe oben), d. h. Beschränkung auf die Inhaltsangabe der Hörspiele / Hörbucher. Zusatzinformationen (Sprecher, Qualität der Sprecher, Effekte, Musik, Geräuschkulisse, Ausstattung der CDs etc.) sind fast überall Fehlanzeige. Und das Schlimmste: mit der Aktualität hapert es merklich! Wenn ich nicht ganz sicher gewesen wäre, auf der dritten Seite Informationen zur gerade frisch erschienenen „Lea Wirbelwind“ gesehen zu haben, hätte ich angesichts der Rezensionen von „Gabriel Burns 8“, „Piraten der Meere 1“ oder „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ sicherheitshalber noch einmal überprüft, ob dieses Magazin tatsächlich im Juni/Juli 2005 erschienen ist. Auch die nachfolgenden Seiten bringen nur wenig Besserung. Die nächsten beiden Artikel („Tigerenten-Hörspiele“, Hedwig Muncks „Kleiner König“) sind ebenfalls viel zu spät dran und sagen wie gehabt nicht wirklich etwas aus.

Danach kommt eine kleine Überraschung: „Coole Mucke für Minis“. Diese Rubrik kann man durchgehen lassen, da hier auch konkretes Lob ausgesprochen oder kritische Töne angeschlagen und in einigen Fällen sogar Bedenken zur Umsetzung der Musik geäußert werden. Ein unerwarteter Lichtblick, leider im falschen Zusammenhang.
Unter „Mädchenkram“ finden sich danach vier weitere Besprechungen von Hörspielen. Älteren Hörspielen zwar, aber immerhin gibt es hier ein paar kleine Details, die über die Produktionen verraten werden (Sprecherleistungen, Stil) und vom sturen Inhaltrunterbeten abweichen. Nicht das Gelbe vom Ei, aber auf jeden Fall die besten Rezensionen bislang. Der nachfolgende Beitrag geht dann prompt wieder in die Vollen: „Gauner, Räuber und Halunken“ vergleicht knallaktuelle (Zaunpfahl!) Jugendkrimi-Hörspiele und liefert redaktionseigene Altersfreigaben. Man merkt an einigen Stellen, wie Europa-hörig manche Leute doch sind, besonders bei dem Satz „Hier ist Qualität noch garantiert“. Immerhin - ein Pluspunkt für Humor.

Ab jetzt geht es interessanterweise mit dem „HörBuch Magazin“ steil aufwärts, denn es folgen fachfremde Beiträge wie etwa ein Interview mit Thilo Rothkirch, dem Regisseur des Kinderfilms „Lauras Stern“ anläßlich der Veröffentlichung des Films auf DVD (März 2005 … nun ja) und „Magische Seiten“, ein Vier-Seiten-Beitrag über Buch-Alternativen zu „Harry Potter“. Diese beiden Artikel sind wirklich überzeugend geraten. Man spürt Professionalität und echtes Interesse, bei den Büchern fand man sogar die Zeit, über den Schreibstil der Bücher noch ein paar Worte zu verlieren und notfalls auch Kritik zu äußern. Warum man nicht in der Lage ist, dieses auf den eigentlichen Kern des Magazins zu übertragen, ist an dieser Stelle nicht zu beantworten.

Es geht wieder zurück zum Hauptthema und prompt läßt man die Zügel wieder schleifen: „Hörbücher im Internet“ lautet die nächste Kategorie. Hier finden sich zwei Beiträge, zum einen über vorleser.net, die übrigens auch für die auf der Heft-CD vertretenen Märchen verantwortlich sind (hier runzelt der vorleser.net-Kenner die Stirn und es sei ihm hiermit auch offiziell bestätigt, daß man den kompletten Inhalt der Heft-CD auch kostenlos runterladen kann) und zum anderen über audible.de. Die Beiträge sind nicht sonderlich aktuell, informationstechnisch höchstens mal an der Oberfläche gekratzt. Im Prinzip nur zwei Fingerzeige der Marke „Geht-mal-hin-und-schauts-euch-an“.
Es folgt des Rezi-Dramas zweiter Teil. Weitere zwölf Kurzrezensionen, dieses Mal jedoch mit Erwachsenen-Material, alles schon vor einigen Monaten irgendwo liegen sehen - im Westen nichts Neues. Und schon gar keine Informationen über die Machart der Produktionen. An dieser Stelle wurden wohl die auf dem Cover angedrohten „Bestseller-Romane“ verbraten, denn eine eigene Rubrik gibt es dafür nicht.
Zum Ende noch eine Vorschau auf die nächste Ausgabe des „HörBuch Magazins“. Weitere Märchen von vorleser.net, 50 neue (sic!) Hörbücher und Hörspiele für Kinder und Erwachsene ...

Abschließend kann man sagen, daß das „HörBuch Magazin“ eindeutig seine Stärken hat, diese aber im absolut falschen Bereich liegen. Was Buchbesprechungen, Interviews oder Musik angeht, ist man redaktionell auf keinem allzu schlechten Weg, auch wenn die Sprache hin und wieder fast etwas zu nüchtern ist. Peinlich wird es, wenn man sich den Kernbereich ansieht; man kann sich kein Bild von der besprochenen Produktion machen. Informationen über Umsetzung, Sprecher, Effekte, Musik, Technik, Regisseur etc., die bislang fehlen oder höchstens unter „ferner liefen“ zu finden sind, wären absolute Pflichtveranstaltung, von Besprechungen aktuellerer Veröffentlichungen ganz zu schweigen, immerhin stammen drei Viertel der besprochenen Veröffentlichungen noch aus dem Vorjahr. Im Nachhinein fällt vor allem auf, daß nur wenige, im Klartext: 18, Verlage im Magazin präsent waren, auch hier besteht Ausbaupotential, ebenso wie im kümmerlich wirkenden Erwachsenenbereich. Letzten Endes sollte man sich vielleicht auch noch einmal über die Preisgestaltung Gedanken machen. 36 Seiten mit größtenteils veralteten Informationen, gepaart mit einer qualitativ zwar guten CD, die man sich aber als DSL-Nutzer bequem kostenlos ziehen kann, und das alles zum Kioskpreis von 9,90 Euro – da stimmt das Preis/Leistungs-Verhältnis nicht. Solange sich daran nichts ändert, heißt es: Finger weg vom „HörBuch Magazin“; ein Blick auf die einschlägig bekannten Hörspielseiten im Internet ist weit informativer und somit sinnvoller!
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Radio Liederlicht
Liedermacher & Co.


Mittwoch.
Skywise: "Das ergibt deshalb keinen Sinn, weil's falsch ist. Wer hat dir denn den Blödsinn erzählt?"
Kollegin: "Kollegin X."
Skywise: "Na gut, die ist ja auch ein bißchen blöd."
Kollegin: "Kannste doch so nicht sagen!"
Skywise: "Hast recht. Streich' das 'bißchen'."

irina

kriseninterventionsteam

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2

Mittwoch, 15. Juni 2005, 21:39

danke für diese sehr informative beurteilung des hefts. das spart uns allen viel geld! :)
»Alles, was Spaß macht, ist entweder unmoralisch, illegal oder macht dick. In besonders spaßigen Fällen alles auf einmal.« (Mae West)

Voldemort

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3

Donnerstag, 16. Juni 2005, 10:23

Auch von mir ein herzliches Dankeschön! Da ich schon länger nach einem passenden Special-Interest-Heftchen zum Thema HSP suche, hätte ich hier wahrscheinlich ungesehen am Kiosk zugeschlagen. Das (Geld) werde ich mir jetzt sparen!

Gibt's denn ansonsten einen Zeitschriften-Titel zum Thema, den Ihr empfehlen könnt?
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Jetzt auch im Internet: www.kamp-lintforter.de

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Donnerstag, 16. Juni 2005, 10:54

Schade!
Wäre doch zu schön gewesen!

Vielleicht sollten wir den Machern unsere Kritik, Wünsche und Anregungen zur Verfügung stellen. Wenn dann in ein paar Ausgaben ein dickes, gutes Teil dabei rauskommt, würde ich auch den Preis zahlen...

dot

Reden ist Schweigen, Silber ist Gold

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Wohnort: Winzenbutzhausen

Beruf: Sozialpfleger / Psychiatrie

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Donnerstag, 16. Juni 2005, 12:02

Auch von mir herzlichen Dank, mein lieber Skywise :up:

Leider klingt das ja nicht all zu gut....vielleicht sollten die Macher ihr Mag so gestalten wie du deine Besprechung oben, das ließe keine Wünsche offen :]
Gruß, dot

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Donnerstag, 16. Juni 2005, 23:44

genau...

habe mir vor einer Woche in der Bahnhofsbuchhandlung ebenfalls das Heftchen angesehen und muß sagen, ich habe auch zuerst gedacht, es müsse sich um eine sehr alte Ausgabe handeln und dann der Preis, absolut überteuert, für 2 Euro hätte ich das Heft gekauft, aber wirklich keinen Cent mehr. So wird aus der Zeitschrift nichts, eigentlich schade, man hätte daraus mehr machen können.
Gruss
Mata Hari

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Freitag, 17. Juni 2005, 13:38

echt schade - so ein magazin würde ich mir wirklich gerne mal zulegen.....aber in der form kommt mir das nicht ins haus :D